Rheinland-Pfalz

Trier-Saarburg
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Stellungnahme zu aktuellen Straßenbauprojekten im Raum Trier

Im Mai 2021 veröffentlichte der Landesbetrieb Mobilität eine Verkehrsuntersuchung der Fa. VERTEC zum Individualverkehr im Raum Trier. Ziel dieser Untersuchung war „die Bereitstellung aktueller Prognoseverkehrsdaten für die Bedarfsplanprojekte im Raum Trier, insbesondere auch für die Planung der B51 neu Westumfahrung Trier, die ehemals als „Moselaufstieg“ bezeichnet wurde.“ (Presseinformation des LBM, Koblenz 2021).

 

Hintergrund für diese Untersuchung sind die Vorbereitungen für die Umsetzung der im aktuellen Bundesverkehrs-wegeplan (BVWP) als „vordringlicher Bedarf“ ausgewiesenen Straßenbaumaßnahmen B 51 neu und B 49 neu. Insbesondere sollen über diese Untersuchung Grundlagen für das anstehende Planfeststellungsverfahren geliefert werden.
Der Kreisverband Trier-Saarburg des VCD hat sich eingehend mit dieser Untersuchung beschäftigt und legt in seiner Stellungnahme dar, wieso das VERTEC – Gutachten keine geeignete Grundlage für anstehende politische Entscheidungen über diese Projekte darstellt.

Die Planungen für den sogenannten Moselaufstieg sind nicht neu. Er war bereits im BVWP 1993 als „vordringlicher Bedarf“ eingestuft. Mitte der 90er Jahren wurde auch bereits ein Raumordnungsverfahren durchgeführt, das in einem positiven Bescheid endete. Danach wurde die Planfeststellung eingeleitet, die 2004 mit einem Planfeststellungsbeschluss endete. Einen ersten „Rückschlag“ gab es dann für das Projekt, als es im BVWP 2004 in den „weiteren Bedarf“ abgestuft wurde. Zudem war eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vor dem OVG erfolgreich. Somit verschwand das Projekt für viele Jahre in der Schublade.

Für viele überraschend kam dann 2016 die „Wiederauferstehung“, in dem das Projekt im aktuellen BVWP wieder als „vordringlicher Bedarf“ definiert wurde. Erst auf dieser Grundlage darf nunmehr die Planung unter Verwendung öffentlicher Mittel weiter betrieben werden. Ein erster Schritt dafür ist die im Mai d.J. vorgelegte Verkehrsuntersuchung.

Verkehrsuntersuchung Raum Trier: Methodische Schwachpunkte

Bereits die Überschrift der vorgelegten Untersuchung kann als „Etikettenschwindel“ bezeichnet werden. Die Studie beschäftigt sich nahezu ausschließlich mit Fragen des PKW- und LKW-Verkehrs, empirische Grundlagen bestehen aus Verkehrszählungen (= Zählungen von PKW und LKW) und Verkehrsprognosen. Qualitative Recherchen fanden in Form von Verkehrsbefragungen statt, in die aber ausschließlich Autofahrer einbezogen wurden.

Der wissenschaftliche Anspruch an eine Verkehrsuntersuchung gestaltet sich jedoch völlig anders: Ein generelles Verkehrsgutachten darf als Bezugsgröße nicht die Kfz-Fahrten pro Tag haben, sondern sollte Personenfahrten pro Tag oder Personenwege pro Tag betrachten. Es sind nämlich nicht die "Autos", sondern die Menschen in den Autos, die den Verkehr machen.

Deshalb ist es wichtig, als Basis für künftige Konzepte die Gesamtverkehrsnachfrage zum Analysezeitpunkt zu kennen, die sich aus MIV (unter Berücksichtigung des Besetzungsgrades: Selbstfahrer plus Mitfahrer), ÖPNV (in Bus und Bahn) sowie Fuß- und Radverkehr zusammensetzt. Diese Gesamtverkehrsnachfrage ist durch Erhebungen zu ermitteln und für die Verkehrsanalyse durch Zählungen zu eichen. Zur Analyse gehört die Kenntnis der verkehrserzeugenden Parameter: die räumliche Verteilung der Wohnbereiche, der Arbeitsplatzkonzentrationen, der Ausbildungszentren, der Freizeiteinrichtungen, der Verwaltungsfunktionen etc. Diese sind in geeigneter Weise in Verkehrszellen aufzuteilen (z. B. Gemeinde, Stadtteil, Verbandsgemeinde, Landkreis etc.)und in eine Analysematrix einzutragen, aus der die Quelle- (bzw. Herkunft-)Ziel- Beziehungen zu entnehmen sind. Die Umlegung der Analysematrix auf die bestehenden Verkehrsnetze ist die Verkehrsanalyse, deren Plausibilität durch örtliche Zählungen zu eichen ist.
Aus der Veränderung der verkehrserzeugenden Parameter ergibt sich die Gesamtverkehrsnachfrage zum Prognosezeitpunkt, wobei hier zahlreiche Veränderungen denkbar sind. Hier kann man sich auf die wahrscheinlichsten, die wünschenswertesten oder die bereits beschlossenen Veränderungen beschränken, obwohl jede andere Möglichkeit offen ist. Bei Beibehaltung der Verkehrszellenaufteilung ergibt sich eine Prognosematrix oder mehrere Prognosematrizen, denen die künftigen Herkunft-Ziel-Beziehungen zu entnehmen sind. Die Umlegung dieser Prognosematrix bzw. der Prognosematrizen auf die bestehenden Verkehrsnetze ist der sog. Prognose-Nullfall. Die Umlegung auf evtl. veränderte Verkehrsnetze, die je nach Zielsetzung verschiedene Szenarien abbilden können, sind die verschiedenen denkbaren Prognosefälle.
Im Falle des VERTEC-Gutachtens scheint die Zielsetzung auf einen Prognosefall hinausgelaufen zu sein, mit nur einer MIV-Nachfragematrix die Notwendigkeit des Moselaufstiegs zu erbringen, wobei diese MIV-Nachfragematrix nicht einmal im Gutachten erscheint. Insofern sind (allein schon im MIV) die gegenwärtigen (Verkehrsanalyse) und die künftigen (Verkehrsprognose) Verkehrsbeziehungen nicht nachvollziehbar; das Gutachten behauptet im Ergebnis einfach die umgelegten, aber unbekannten Prognosewerte.

Verkehrsuntersuchung Raum Trier: Inhaltliche Mängel

Neben den oben beschriebenen methodischen Schwächen zeigt das Gutachten der Fa. VERTEC darüber hinaus eine Reihe inhaltlicher Unzulänglichkeiten. Insbesondere werden bei der MIV- Prognose einzelne Annahmen getroffen, die kritisch zu hinterfragen sind. Die u. E. wichtigsten Schwachpunkte sollen hier aufgezeigt werden:

1. Der Einfluss sogenannter „lokaler Infrastrukturvorhaben“ auf die künftige Verkehrsnachfrage wird wahrscheinlich überschätzt, zumindest wird seine Ermittlung nicht nachvollziehbar dargelegt.

Veränderungen in der Siedlungsstruktur beeinflussen die Mobilität, umgekehrt beeinflusst aber auch die Verkehrsinfrastruktur das Standortwahlverhalten privater Haushalte und von Wirtschaftsunternehmen. Ohne diesem komplexen Wirkungsgeflecht auch nur annähernd gerecht zu werden (wie man das eigentlich machen müsste, wurde im Abschnitt zu den methodischen Mängeln skizziert) addiert das VERTEC-Gutachten zusätzliche Flächennutzungen für Wohnen und Gewerbe und setzt die Summe mit zusätzlichem Verkehrsaufkommen gleich. Dabei ist es eine Binsenweisheit, dass Wohnstandortveränderungen privater Haushalte, aber auch Standortverlagerungen oder gar Neuansiedlungen von Gewerbebetrieben auch genau das Gegenteil bewirken können, nämlich eine Reduzierung des MIV. Als Beleg dafür kann die Verkehrsentwicklung im Raum Schweich angeführt werden. Obwohl hier im letzten Jahrzehnt mehrere Dutzend Hektar neues Wohnbauland entstanden und die Stadt um mehr als 1.000 EW gewachsen ist, hat dies nachweislich einer Verkehrsuntersuchung zur neuen Moselbrücke so gut wie keinen Einfluss auf die Belastung der Hauptverkehrsstraßen gezeitigt. Die einfache, im Gutachten verwandte Gleichung „Zusätzliches Bauland = mehr MIV“ geht offenkundig nicht auf.


2. Der Einfluss der Grenzpendler auf das künftige MIV – Aufkommen wird falsch
eingeschätzt.

Eine wichtige Komponente im Prognosemodell des VERTEC – Gutachtens stellen die Grenzpendler zwischen Deutschland und Luxemburg dar. Als maßgebende Zahl wird ein Wachstum der Grenzpendler bis zum Zieljahr 2035 von 49 % unterstellt. Als Quelle für diese Annahme wird eine Studie von Idea Fondation aus dem Jahr 2019 genannt. In der Tat gibt es immer wieder z. T. sehr unterschiedliche Szenarien zur demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung unseres Nachbarlandes. Es ist jedoch sehr gewagt, derartige Szenarien zur zentralen Argumentationsgrundlage für ein Infrastrukturprojekt wie den Moselaufstieg zu machen. Denn selbst wenn man eine nahezu 50%ige Zunahme der (deutschen) Grenzpendler als realistisch ansähe, ist es fast schon naiv, eine ähnlich hohe Zunahme des MIV im grenzüberschreitenden Verkehr zu unterstellen. Dies verbietet bereits ein Blick in die Vergangenheit: Zwischen 2009 und 2018 hat die Zahl der deutschen Grenzpendler um fast 30 % zugenommen. Für den nahezu identischen Zeitraum nennt das VERTEC-Gutachten Belastungszahlen für die beiden Grenzübergänge Mesenich und Wasserbillig, die - im Falle der Autobahn - nur gering gestiegen und an der B 49 sogar rückläufig waren. Hier sieht man sehr schön, dass auch die Gleichung „Mehr Grenzpendler = mehr MIV“ nicht aufgeht. Was ist tatsächlich geschehen? Es sind Fahrgemeinschaften entstanden (auf der deutschen Seite durch sinnvolle Mitfahrerparkplätze gefördert) und die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel hat deutlich zugenommen. Vieles – u. A. die Parkraumverknappung in Luxemburg – spricht dafür, dass dieser Trend auch in der Zukunft anhalten wird.
Dazu kommen spätestens seit der Pandemie strukturelle Veränderungen im Mobilitätsverhalten der Grenzpendler. Es gibt eine Vielzahl von Indizien dafür, dass der stark gewachsene Anteil von Arbeitnehmern, die einen Teil ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen, auch nach der Pandemie zumindest teilweise erhalten bleibt. Aus dem politischen Raum heraus gibt es bereits deutliche Forderungen, Homeoffice auch für Grenzpendler in einem begrenzten Umfang ohne steuerliche Nachteile zu ermöglichen. Von März 2020 bis Juli 2021 arbeiteten z.B. ein Großteil der Beschäftigten im Bankensektor in Luxemburg im Homeoffice. In der Studie wurden ebenfalls die Unterschiede bei der Struktur der Grenzpendler vollkommen vernachlässigt. Ein Großteil der Grenzpendler aus Deutschland arbeitet in Bürojobs, die viel mehr die Möglichkeit des Arbeitens im Homeoffice haben, als Arbeitnehmer aus Belgien und Frankreich, die größtenteils im Dienstleistungsbereich arbeiten. Das Gutachten pauschalisiert lediglich.


3. Angebotsverbesserungen im grenzüberschreitenden ÖPNV werden nicht
angemessen berücksichtig.

Bereits realisierte bzw. noch geplante Verbesserungen im grenzüberschreitenden ÖPNV werden nur unvollständig in die VERTEC – Untersuchung eingearbeitet. So finden angebotsseitig ledig die zu erwartenden Effekte der Reaktivierung der Trierer Weststrecke Berücksichtigung. Völlig außen vor bleibt der gesamte grenzüberschreitende Busverkehr, der in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut wurde. Vor Corona nutzten etwa 5.000 Pendler täglich die grenzüberschreitenden Buslinien und dies trotz der noch höheren Tarife. In Vorbereitung des RGTR-2022-Netzes wurden die Verbindungen in den Jahren 2020 und 2021 nochmals ausgebaut. Eine Veränderung der Nachfrage hat sich aber durch die Corona-Pandemie nicht quantifizieren lassen.


4. Die Auswirkungen der geänderten Tarifstrukturen im grenzüberschreitenden ÖPNV, insbesondere die des Null-Tarifes in Luxemburg, werden völlig falsch eingeschätzt.

Die Gutachter unterstellen, dass der Null-Tarif im Luxemburger ÖPNV in erster Linie dazu führen wird, dass deutsche Grenzpendler vermehrt mit dem PKW über die Grenze fahren, um jenseits der Grenze neu geschaffene P&R – Anlagen und von dort aus den kostenlosen ÖPNV zu nutzen. Diese Annahme wird in keiner Weise belegt. Gleichzeitig gibt es auch gute Argumente dafür, dass die Entwicklung gegenläufig verlaufen wird. So wurden z. B. die ÖPNV-Tarife nach Einführung des Null- Tarifes auf der deutschen Seite für Grenzpendler soweit angepasst, dass es auf jeden Fall preislich günstiger ist, den ÖPNV bereits von Deutschland aus zu nutzen, als mit dem PKW bis zu einem P&R – Platz jenseits der Grenze zu fahren. 2020 wurde der Preis einer Monatskarte für Grenzpendler im Busverkehr auf lediglich 40 Euro gesenkt. Dazu kommt, dass das Tarifgefälle zwischen Deutschland und Luxemburg auch bereits vor der Einführung des Nulltarifes sehr groß war, so dass sich die im Gutachten unterstellten Verhaltensweisen der Grenzpendler auch vor diesem Zeitpunkt hätten
einstellen müssen.


5. Grundsätzliche Veränderungen im Mobilitätsverhalten und Erfordernisse des
Klimaschutzes werden weitgehend vernachlässigt.

Der Verkehrssektor spielt in der zunehmend an Bedeutung gewinnenden Klimadiskussion eine absolut zentrale Rolle. Während es in anderen Sektoren in den letzten Jahren zumindest teilweise gelungen ist, den Ausstoß klimaschädlicher Schadstoffe zu reduzieren, tritt man im Verkehrssektor bis dato auf der Stelle. Erst ganz allmählich zeichnet sich auch hier ein Bewusstseinswandel ab, der bei nennenswerten Anteilen der Bevölkerung zu einem veränderten Mobilitätsverhalten führt. Dieser Prozess muss jedoch dringend durch eine klimagerechte Verkehrs- und Mobilitätspolitik unterstützt werden.

Gerade die junge Generation verliert zunehmend die jahrzehntelang vorherrschende Fixierung auf das Auto als dominantes Verkehrsmittel. Im Ergebnis verändert sich der Modal Split langsam aber beständig zu Gunsten des Umweltverbundes.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht mehr sach- und zeitgerecht, Verkehrsplanung mit linearen und eindimensionalen Modellen treiben zu wollen. Das dies zu dramatischen Fehlplanungen führen kann, lässt sich am Bau des Hochmoselüberganges bei Zeltingen-Rachtig belegen. Die hier zur Planberechtigung für das Jahr 2025 prognostizierte Belastung von 25.000 Kfz/Tag wird zz. gerade mal zur Hälfte erreicht. Folglich müsste sich der Verkehr in den kommenden 4 Jahren verdoppeln, um die Prognose zu erfüllen. In den Ausführungen zu den methodischen Schwächen haben wir dargelegt, wie man stattdessen verfahren müsste, um die Grundlage für eine zeitgemäße Entscheidung über das Projekt „Moselaufstieg“ begründen zu können.

Fazit und Hinweise zur weiteren Vorgehensweise

Im Ergebnis kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die Verkehrsuntersuchung zu den BVWP-Projekten OU Ayl, OU Zewen und Moselaufstieg aufgrund inhaltlicher und methodischer Mängel nicht geeignet ist, eine Entscheidungsgrundlage für diese Projekte zu bieten.
Die im Prognose Nullfall vorhergesagten Verkehrszuwächse sind maßgeblich auf vorhergesagte Mehrverkehrsbelastungen im grenzüberschreitenden Verkehr zurückzuführen. Gerade die Prognose der grenzüberschreitenden Verkehre basiert jedoch auf gewagten Szenarien hinsichtlich der Zunahme an Grenzpendlern und deren Mobilitätsverhalten. Ohne diese Komponente bliebe die Belastung der Straßen im Untersuchungsraum weitgehend konstant.
Die Ortsumfahrungen Ayl und Zewen sind im Bundesverkehrswegeplan zwar eigenständige Projekte, werden in der vorliegenden Untersuchung jedoch lediglich im Planfall P 3 als zusätzliche Maßnahmen betrachtet. Eine Aussage zu deren Sinnhaftigkeit als vom Moselaufstieg losgelöste Maßnahmen kann daher an dieser Stelle nicht getroffen werden.
Dagegen halten wir die Westumfahrung und die damit einhergehende Moselquerung im Lichte der vorgelegten Untersuchung und vor dem Hintergrund der massiven Eingriffe in Natur und Landschaft für überflüssig. Das Projekt sollte bei der nächsten Aktualisierung des BVWP gestrichen werden. Sollten die verantwortlichen Akteure gleichwohl den Planungsprozess fortführen wollen, wäre als Nächstes ein Raumordnungsverfahren (ROV) erforderlich. Das in den 90er Jahren durchgeführte ROV ist längst nicht mehr aktuell und wäre dringend zu aktualisieren. Teil dieses ROV wäre dann auch eine qualifizierte Umweltverträglichkeitsprüfung sowie eine breit angelegte Öffentlichkeitsbeteiligung.

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