Rheinland-Pfalz

Rheinhessen
Rheinhessen

Zu wenig Geld für die Verkehrswende - aber für teure Straßenbauprojekte?

„Der teuerste Radweg Deutschlands“ – so ähnlich lauteten die Schlagzeilen, als die B42 zwischen der rheinland-pfälzischen Landesgrenze bei Lorch und Rüdesheim mitsamt neuem Fuß- und Radweg im Sommer 2023 nach jahrelanger Bauzeit eröffnet wurde.

Fast 140 Millionen Euro für eine Strecke von 11,3 Kilometern Länge. Etwa 50 Prozent mehr als ursprünglich geplant kostete das Projekt mit einer Bauzeit von 17 Jahren, nach dessen Abschluss trotzdem noch ein Teilstück für den Radverkehr bis Rüdesheim fehlt. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich die Schlagzeile als irreführend, denn die Kosten beinhalteten neben dem Radwegebau auch die Erneuerung und Verbreiterung der Bundesstraße sowie Maßnahmen zur Abstützung der Bahnstrecke. Aber wie teuer sind Straßenbau- und Verkehrswendeprojekte denn nun wirklich? Dieser Frage gingen Aktive des VCD-Kreisverbands Rheinhessen nach, analysierten den aktuell gültigen Bundesverkehrswegeplan und recherchierten beispielhafte Projekte in der Umgebung.

Ergebnis: Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) sieht bis 2030 Ausgaben von rund 270 Milliarden Euro für die Instandhaltung sowie den Aus- und Neubau von Bundesverkehrswegen vor. Allein 4,3 Milliarden Euro sollen Jahr für Jahr in Aus- und Neubauprojekte fließen, wobei der Löwenanteil auf Autobahnen und Bundesstraßen entfällt (2,3 Milliarden Euro), während sich die Schiene und Wasserstraßen mit weniger zufrieden geben müssen - allen Klimaschutzbeteuerungen zum Trotz. Und es ist nicht gesagt, dass es bei den im BVWP veranschlagten Kosten bleibt, wie das Beispiel B42 gezeigt hat. Aktuell in der Diskussion in Rheinhessen ist der Tunnelbau für die Ortsumgehung der B9 in Nierstein. Während der BVWP 64 Millionen Euro veranschlagt, schätzt der Landesbetrieb Mobilität (LBM) die Kosten für die zwei Kilometer lange Strecke derzeit auf 260 Millionen. Für das gleiche Geld könnten etwa 260 Kilometer Radwege gebaut werden.

Weitere Beispiele finden sich leicht: Die A60 soll in verschiedenen Abschnitten sechs-spurig ausgebaut werden, mit jeweils einem zusätzlichen Standstreifen. Der Bereich Ingelheim West bis Heidesheim, 8,2 km lang, soll 59,7 Mio. € kosten, davon 33,1 Mio für Neu- und Ausbau. Der Abschnitt von Heidesheim zum AD Mainz ist 2,9 km lang und soll 15,9 Mio € kosten, davon 7,5 Mio für Neu- und Ausbau. Die Strecke vom AD Mainz zum Kreuz Mainz Süd ist 6,5 km lang und soll 121,7 Mio € kosten, davon 84,4 Mio für Aus- und Neubau. Diese Maßnahmen sind nicht nur wegen der hohen Kosten, sondern auch wegen der betroffenen Schutzgebiete umstritten. Auch wenn sich diese Projekte aktuell noch in der Vorplanung befinden, wird geprüft, ob es Ausbauvarianten gibt, die dem Schutz der Natur und der Wirtschaftlichkeit genügen!?! 

Außer den Projekten im BVWP gibt es weitere Straßenbauvorhaben, die der Bund finanziert. So sind in der Stadt Ludwigshafen große Bauvorhaben geplant: die Erneuerung der Hochstraßen in Ludwigshafen, der Neubau der "Stadtstraße Nord". Da die Stadt Ludwigshafen mehr als 80 000 Einwohner hat, sind diese Projekte nicht im BVWP enthalten und die Stadt muss für die Kosten selbst aufkommen. Es gibt allerdings Förderzusagen von 25% vom Land und 60% vom Bund. Damit würde der Eigenanteil der Stadt Ludwigshafen bei nur noch 15% liegen, was die hochverschuldete Stadt dennoch überfordern würde. Im Vortrag wurden die Pläne vorgestellt und deren Bedeutung für die Verkehrswende überprüft.

Hinlänglich bekannt ist auch die Debatte um die Kosten des Deutschland-Tickets. Der Bund schießt hier für die Jahre 2023 bis 2025 jährlich 1,5 Milliarden Euro zu, während er allein für den Aus- und Neubau der Bundesfernstraßen wesentlich höhere Ausgaben einplant und damit den Kraftfahrzeugverkehr weiter fördert. Eins ist klar: Klimaschutz und Verkehrswende werden so nicht gelingen!

Quellen und weitere Informationen:

https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/kreis-mainz-bingen/verbandsgemeinde-rhein-selz/nierstein/b9-tunnelbau-in-nierstein-hat-sich-das-projekt-erledigt-3500829

https://bmdv.bund.de/DE/Themen/Mobilitaet/Infrastrukturplanung-Investitionen/Bundesverkehrswegeplan-2030/bundesverkehrswegeplan-2030.html

https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/deutschlands-teuerster-radweg-zwischen-ruedesheim-und-lorch-19040473.html

https://www.hessenschau.de/wirtschaft/millionenschwerer-rheingau-radweg-endet-bei-ruedesheim-mitten-auf-bundesstrasse-v2,rheingau-radweg-102.html

https://mobil.hessen.de/presse/mehr-sicherheit-auf-der-b42-im-mittelrheintal

https://mobil.hessen.de/sites/mobil.hessen.de/files/2022-01/faq_radwege_20200525.pdf

zurück