Rheinland-Pfalz

Ludwigshafen-Vorderpfalz, Verkehrsplanung
Ludwigshafen-Vorderpfalz

Hochstraßen und kein Ende

Der VCD fordert eine Verkehrsplanung unter Berücksichtigung der Klimakrise. Wichtige Bausteine darin sind ein besserer ÖPNV, der vor überdimensionierten Straßenprojekten angegangen werden muss.

 

Anfang Juli kam wieder eine Meldung, dass die Kosten für den Wiederaufbau beziehungsweise der Ersatz für die Hochstraßen noch einmal deutlich höher ausfallen werden als ohnehin schon gedacht.

Das sollte man aus Sicht des VCD Ludwigshafen zum Anlass nehmen, unvoreingenommen die Frage zu stellen: Brauchen wir das alles wirklich?

Angesichts der vielen, parallel laufenden Krisen wie…

- der Energieknappheit, die uns überall zwingt, Energie zu sparen. Das Hoffen auf erneuerbare Energien reicht offensichtlich nicht aus.

- der Klimawandel, um den aufzuhalten müssen wir alles, was zur Erwärmung unseres Planeten beiträgt, vermeiden oder zumindest so gut es irgendwie geht, reduzieren

- der Corona-Pandemie, die uns immerhin gezeigt hat, dass Homeoffice und digitale Konferenzen möglich sind und dass für ein einfaches Arbeitstreffen keine 5 Autos über 200 km weit fahren müssen

- der Inflation und der gestiegenen Baukosten, die alle Projektkosten in astronomische Höhen fliegen lassen

- sowie der chronisch leeren Kassen der öffentlichen Hand im Allgemeinen, der Kommunen im Besonderen und von Ludwigshafen im Speziellen

… sollten all die geplanten Großprojekte rund um das Hochstraßensystem noch einmal grundsätzlich in Frage gestellt werden.

Die vergangenen 2 Jahre haben gezeigt, dass es auch mit einer entfernten Hochstraße Süd nicht zu einem andauernden Verkehrskollaps kommt. Bei jetzt 1,5 Milliarden Kosten (das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange) sollte man sich überlegen, ob man nicht einen Großteil davon einsparen kann (soll, muss).

 

Durch solche Einsparungen (nennen wir sie ruhig und selbstbewusst Plan B) entsteht freier innerstädtischer Raum, der sich nutzen lässt. Und in Ludwigshafen hat man die Chance, sich auf künftig steigende Fahrgastzahlen im ÖPNV einzustellen und sich entsprechend vorzubereiten. Nicht, dass es dann wieder heißt „…hat man ja nicht ahnen können, aber jetzt ist es zu spät“.

 

Was ist also zu tun?

Erst einmal, und das ist das gute an Plan B, nicht viel. Aber man muss aufpassen, dass man sich nichts verbaut, was eine nachhaltige und sinnvolle Infrastruktur für unser Verkehrswesen im Keim erstickt. Angesichts eines drohenden Klimakollaps kann es nicht mehr das Ziel der Stadtplanung sein, möglichst viele Fahrzeuge möglichst ungehindert durch die Stadt (oder darüber hinweg) fahren zu lassen.

Ziel sollte sein, eine umweltverträgliche Mobilität zu ermöglichen. Wenn es gewünscht ist, die Fahrgastzahlen des öffentlichen Verkehrs mindestens zu verdoppeln, muss man zumindest mittelfristig die Voraussetzungen hierfür schaffen. Andere Städte sind längst so weit, dass sie ihr Straßenbahnnetz erweitern und feiern damit Erfolge.

Mit dem Abriss des Rathaus-Centers und dem Wegfall der dortigen Haltestelle droht aktuell ein jahrelanger Busersatzverkehr, der die Attraktivität des ÖPNV bestimmt nicht steigern wird. Wenn dann in ferner Zukunft ein Ersatz für die Linien geschaffen wird, darf man sich nicht wundern, wenn die Leute inzwischen wieder aufs Auto umgestiegen sind.

Daher sollte bereits vor dem endgültigen Aus der Haltestelle ein Ersatz geschaffen werden. Die anstehenden Veränderungen in der Ludwigshafener Innenstadt bieten dafür auch einige Möglichkeiten:

Die Linie 7 nach Oppau lässt sich auch heute schon weitgehend oberirdisch ersetzen, indem man die neue Strecke zwischen Hemshof und Ludwigsplatz neben dem Rathaus verlegt. Ein Anschluss dieser Strecke lässt sich dann innerhalb weniger Wochen realisieren, ohne jahrelangen Ersatzverkehr in Kauf zu nehmen. Und der Abbruch der Haltestelle Rathaus kann danach erfolgen.

Ein gleichwertiger Ersatz für die Linie 6 ist schwieriger zu schaffen, aber möglich. Durch die Schaffung einer Straßenbahnstrecke zwischen Rohrlachstraße und Hauptbahnhof zur Kurt-Schumacher-Brücke kann die Verbindung nach Mannheim oberirdisch geführt werden und der überlastete Knotenpunkt am Berliner Platz entlastet werden.

Der Berliner Platz sollte nach dem Stopp für das Metropol-Projekt so organisiert werden, dass er für steigende Fahrgastzahlen im ÖPNV gewappnet ist. Denkbar ist hier z.B. ein drittes Straßenbahngleis wie vor dem Hauptbahnhof Mannheim und eine bessere Organisation des Busverkehrs. Der (bereits vorgesehene) Bypass von der Bleichstraße zur Konrad-Adenauer-Brücke sollte zügig realisiert werden. Ein Warten auf den teuren und zeitintensiven Wiederaufbau der Hochstraße Süd bringt keine deutlichen Einsparungen mit sich, sondern verzögert diese sinnvolle Maßnahme nur unnötig.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass der Ausfall der Hochstraße Süd nicht zum befürchteten Verkehrsinfarkt geführt haben. Wenn das Geld, dass für die aktuelle Planung notwendig ist, fehlt, sollte man ruhig darüber diskutieren, ob die aktuelle Planung deutlich überdimensioniert ist und ob man für deutlich weniger Geld nicht auch eine höhere Lebensqualität in der Stadt erreichen kann.

Ein Mittel, den Bedarf an derlei Großprojekten zu senken ist ein attraktiver, leistungsfähiger und bezahlbarer öffentlicher Verkehr. Mit der Förderung preiswerter Monats- und Jahrestickets wären die Zuschüsse von Land oder Bund (wenn sie denn kommen) sinnvoller angelegt als für Großprojekte, die angesichts der beschriebenen Krisen aus der Zeit gefallen sind.

All diese Projekte für die Stadt lassen sich dann realisieren, wenn sie sich am Gemeinwohl und den BürgerInnen orientieren und nicht an den Wünschen fragwürdiger Investoren. Denn ein anderer Verkehr und eine andere, lebenswertere Stadt sind auch in Ludwigshafen möglich. Aber dafür muss man sie zumindest wollen.

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