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Stellenweise echt abenteuerlich - Bahnhof Begehung in Gau-Algesheim

Bahnhof-Begehung in Gau-Algesheim mit Verkehrsclub-Landesvorsitzender zeigt Gefahrenstellen und Planungsfehler auf.

Von Hans - Willi Blum (Allgemeine Zeitung)

Einen augenfällig modernen Bahnhof hat sich die charmante Stadt gegönnt. Hat schließlich auch satte neun Millionen Euro gekostet. Dafür wurde seitens der Bahn aber auch ein komplett barrierefreier Bahnhof versprochen, der den Bedürfnissen und Anforderungen der zahlreichen Bahnnutzer entspricht. Auch das Umfeld sollte den Wünschen der Bahnkunden gerecht werden – inklusive Aufzügen und Leitsystemen für sehbeeinträchtigte Menschen.

Teufel steckt im Detail

Hörte sich alles prima an, im Großen und Ganzen hat sich der Bahnhof auch zu einem echten Drehkreuz vom Individual- zum Öffentlichen Nahverkehr entwickelt. Der Teufel steckt jedoch bekanntlich in den Details. Und von denen gibt es im Gau-Algesheimer Bahnhof jede Menge. Das macht eine Begehung gemeinsam mit der rheinland-pfälzischen Landesvorsitzenden des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), Helga Schmadel aus Oppenheim, deutlich. „Ein gutes Bus- und Bahnangebot, mehr Platz für Fahrräder, spritsparende Autos, mehr Sicherheit für Kinder: So sieht nachhaltige Mobilität für den VCD aus“, heißt es in den Zielen des Verkehrsclubs. Und unter dieser Prämisse wendet sich Helga Schmadel auch dem Bahnhof zu.

Die VCD-Landeschefin ist per Bahn und Rad angereist – und das Erste, was ihr auffällt, ist, dass ihr Rad in keinen der für 100 Fahrräder vorgesehenen 50 Fahrradständer mehr passt. Und das, obwohl nur 62 Räder unter dem Glasdach, das die Ständer schützt, „eingeparkt“ sind. „Die Fahrradständer stehen so eng, dass man dazwischen sein Fahrrad kaum ohne Schrammen einstellen kann. Gäbe es hier nur die Hälfte der Bügel, wäre die Benutzung einfacher und man könnte die restlichen Ständer auf der anderen Seite des Bahnhofs an der Mainzer Straße aufstellen“, findet Schmadel.

Richtig Platz hingegen haben die vier Motorräder und Motorroller unter dem Glasdach in den für sie vorgezeichneten acht Parktaschen. Eine ideale Gelegenheit, den von ihnen ausgehenden Auspuffqualm auch an die unter dem Dach agierenden Radfahrer zu verteilen, frotzelt Schmadel.

Unbefriedigend gelöst empfindet sie an diesem kalt-regnersichen Morgen auch die Unterstellsituation für wartende Bahnreisewillige. Die schicken Wartehäuschen auf den Bahnsteigen bieten pro Gleis gerade mal zwei Sitzplätze unter einem schmalen Regendach. Als Alternative bietet sich die Wartehalle zur Bahnhofstraße hin an – wäre die nicht erstens zurzeit komplett geschlossen und zweitens nicht ungeheizt und eine Tür so schlecht schließend, dass es mitunter reinregnet.

Bodenfliesen sind rutschig

Die beiden Aufzüge an den Bahnsteigen sind zunächst einmal „toll“, wie Helga Schmadel findet. So sie funktionieren, bringen sie auch mobilitätseingeschränkte Menschen komfortabel in den Verbindungsgang unter den Gleisen. Dass die automatische Ansage im Aufzug den Ortsunkundigen in die falsche Richtung schickt, lässt sich noch verkraften. Dass die Bodenfliesen der Unterführung bei Regen zu Rutschbahnen mutieren, ist da schon kritischer. Aber dass sich die Aufzugstür zwischen Gleis 3 und 4 zur gleisabgewandten Seite öffnet und den Nutzer dazu zwingt, sich auf einem sehr schmalen Bahnsteigrest an unter Umständen vorbeirasenden Express-Zügen vorbeizuzwängen, das gehört eindeutig in die Kategorie abenteuerlich. Um die Bahnreisenden davon abzuhalten, zu nah an den Gleisbereich heranzutreten, wurden zahlreiche verschieden geformte Pflastersteine verbaut – allerdings in äußerst selten als Warnfarbe genutztem Weiß. Die gelben Warnschilder vor allem für die Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen schiebenden Personen befinden sich in rund drei Metern Höhe und damit im Grunde außerhalb des Sichtfeldes.

Apropos Sehbeeinträchtigung: Der im Grunde lobenswerte Blindenstreifen, der vom Bahnhof zum Friedhof oder Richtung Innenstadt führt, hat die unangenehme Eigenschaft, dass sich seine Rillen durch von Bäumen herabfallende Blätter zusetzen und dann gefährlich werden. „Es ist rutschig und man kann nur schlecht darüber laufen oder sein Fahrrad darüber schieben“, stellt Helga Schmadel bei ihrem Ortstermin fest.

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