Radverkehr
Rheinhessen
In diesem Sommer zeigt das deutsche Architekturmuseum in Frankfurt (www.dam-online.de) die Ausstellung „FAHR RAD! Die Rückeroberung der Stadt“. Im Rahmen des Begleitprogramms fand am 16. Juni eine geführte Radtour in der Fahrradmetropole Utrecht statt. Vier VCD-Aktive aus Mainz nutzten die Gelegenheit, sich die Radinfrastruktur und die Planungen in einer holländischen Großstadt mit ca. 350.000 Einwohnern erläutern zu lassen.
Das Fazit kurzgefasst: Obwohl nur drei ICE-Stunden von hier entfernt, liegen Welten zwischen den Verhältnissen auch in einer radverkehrsfreundlichen Stadt wie Mainz und einer Stadt in den Niederlanden.
Der Radverkehr in Utrecht fließt in einer hierzulande (noch) nicht vorstellbaren Größenordnung durch die City, 120.000 Fahrten mir dem Rad finden im Durchschnitt am Tag statt, der Radverkehrsanteil beträgt über 50 Prozent. Allein die Fahrradparkhäuser im Umfeld des Bahnhofs von Utrecht sollen bald über 30.000 Stellplätze bereit halten – gegenüber den 1200 Plätzen des kommenden Fahrradparkhauses in Mainz. Ein Fahrradparkhaus-Leitsystem führt die Radelnden zu den stets gesuchten freien Abstellorten.
Aber nicht nur die Abstellmöglichkeiten für Räder sind knapp, auch auf den üppig ausgebauten Radwegen und Schutzstreifen reicht der Platz kaum für den Verkehr. Unsere Beobachtung: Für deutsche sicherheitsorientierte Radler fühlt sich das Fahren auf dem Radweg in Utrecht gefährlicher an als auf einer Mainzer Stadtstraße mit Höchstgeschwindigkeit 30 km/h. Selbstverständlich und wie auch angemessen fahren die Radelnden auf den 1,80m breiten Wegen auch zu zweit nebeneinander. Und dann wird man von Pedelecs oder Mopeds mit weniger als 50cm Abstand schnell überholt, eventuell fädeln sich noch weitere Fahrräder von rechts oder links auf den Radweg ein. Dabei trägt kein Alltagsradler einen Helm. Die Erläuterung der Hollandkundigen: Deutsche wollen nach Regeln fahren (und auf ihnen beharren). In den Niederlanden fährt man, indem man auf die anderen Verkehrsteilnehmer achtet und mit ihnen kommuniziert. Das heißt natürlich andersherum: Auch die schönsten „hollandesken“ Radwege allein werden uns kein niederländisch-entspanntes Verkehrserleben bescheren. Die Frage nach einer optimalen Radinfrastruktur in Deutschland löst sich nicht einfach mit der Parole, die holländische rein bautechnisch zu imitieren.
Eindeutig ein Vorbild sollten die Niederlande allerdings bei den Aufwendungen für den Radverkehr sein. Unser Nachbar investiert pro Einwohner und Jahr etwa 30 Euro in den Radverkehr (Mainz 2 Euro, der nationale Radverkehrsplan der Bundesrepublik fordert bis zu 18 Euro, ohne dass den Kommunen jemand die Mittel dafür gibt.
Und das lohnt sich nicht nur verkehrs- und gesundheitspolitisch, sondern auch finanziell: Allein in Utrecht spart laut der Untersuchung eines Forschungsinstituts im Auftrag der Stadt jeder Fahrradfahrer gegenüber einem Autofahrer 735 Euro im Jahr, also in der Summe ca. 250 Millionen Euro ( Bericht von einem Besuch des obersten Verkehrsplaners der Region Utrecht in Hannover, Hannoversche Allgemeine 07.08.2017)
Das persönliche Fazit der Exkursionsteilnehmer: Wir kommen in zwei Jahren wieder nach Utrecht und schauen uns an, wie sich die Fahrradinfrastruktur und die Stadt weiter entwickelt haben werden und hoffen zugleich, dass wir auch von vielen weiteren spannenden Entwicklungen in der Region Rheinhessen werden berichten können - auch wenn sie noch nicht die Dimensionen von Utrecht erreichen.