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Mobilität von morgen gestalten

Bei der VCD Podiumsdiskussion diskutierten die Mainzer Bundestagskandidaten vor allem zu den aktuell brennenden Themen, bei denen die Bundespolitik unmittelbar in die Mainzer Auseinandersetzungen eingreift.

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Der Ausbau der Autobahnen A643 und A60, die zusammen den 7-km-Ring um Mainz bilden, ist seit vielen Jahren von manchen Planern gewünscht, aber ebenso lang bekämpft und jetzt im Bundesverkehrswegeplan priorisiert.

Wenig verwunderlich machen sich die unterschiedlichen Positionen der Diskutanten an dem Thema fest: Ursula Groden-Kranich (CDU) betont die Notwendigkeit des Autobahnausbaus zur Verbesserung des „Verkehrsflusses“. Sie formuliert außerdem eine zukunftsweisende Vision, die sich allerdings vollständig von bestehenden Planungen und einer verkehrstechnischen Machbarkeit löst: Beim Ausbau der A643 soll in der Mitte Raum für ÖPNV und Schienenverkehr eingerichtet werden. Des Weiteren setzt sie auf „intelligente Leitsysteme“ zur Vermeidung von Staus. Fragt sich nur: wo alternativ leiten, wenn es gar keine Ausweichstränge gibt?

Thorsten Becherer (Grüne) greift das Stichwort Straßenbelastung und Stau auf. Sogar der ADAC stelle fest, dass Autobahnen den meisten Verkehr aufnehmen können und somit die geringste Stauanfälligkeit herrscht, wenn lediglich mit 80 km/h gefahren werde. Fortbestehen und Erweiterung der derzeit wegen einer Großbaustelle bestehenden Tempo-80-Anordnung würde daher einen Ausbau überflüssig machen und zugleich einer großen Zahl von Anwohnern viel Lärmimmissionen ersparen.

Daniel Baldy (SPD) plädiert für „Erhalt vor Ausbau“ und spricht sich gegen den Ausbau der A643 aus. Ein Neubau des A60-Abschnitts sollte erst kommen, wenn das Autobahnkreuz Mainz-Süd fertig ist. Ungeachtet dessen, dass seine Partei gerade in Berlin die Koalition gesprengt hat: Volker Hans verkündet für die FDP das Motto „pacta sunt servanda“ – Abkommen müssen eingehalten werden. Die Verpflichtung aus dem Bundesverkehrswegeplan sei zu befolgen.

Es bleibt Kerstin Haarmann vorbehalten, darauf hinzuweisen, dass die Autobahn zwar laut Bundesverkehrswegeplan 2030, der im Bundestag im Jahr 2016 beschlossen wurde, zu Projekten des vordringlichen Bedarfs gehört. Das sei allerdings noch nicht mal der Beginn einer Umsetzung bzw. der Planfeststellung. Keinesfalls sei ein gravierende Eingriff in das einzigartige Naturschutzgebiet des „Mainzer Sandes“ zu rechtfertigen. Auch der Flächenverbrauch des übrigen Ausbauprojekts widerspreche den ansonsten erklärten Zielen der Bundespolitik. Ganz abgesehen davon, dass dem Bund die Mittel fehlen für die dringend notwendigen Sanierungen von in die Jahre gekommenen Straßen und Brücken.

Relativ nahe beieinander liegen dagegen die Positionen beim Thema Luftverkehr. Ursprünglich war vor der letzten Flughafenerweiterung in einem Mediationsverfahren die „Mediationsnacht“ ausgehandelt worden. Eine vollständige Nachtruhe von 22:00 bis 6:00 Uhr wurde zugesagt. Die Hessische Landesregierung unter Roland Koch (CDU) kürzte die Nachtruhe dann auf die Spanne von 23:00 bis 5:00 Uhr. Die Mainzer Kandidierenden möchten alle wieder die ursprüngliche Nachtruhe wieder in ihr Recht bringen. Flüge an Randzeiten sollten zudem höher besteuert werden. Thorsten Becherer bringt ein, dass mehr Geld für den Ausbau von Zug-Fernverbindungen als attraktive Alternative zu Kurzfllügen in die Hand genommen werden muss. Auch ein gutes Nachtzugangebot könne viele Flüge ersparen.

Wie die innerörtliche Mobilität gestaltet werden darf und soll, ist ein weiterer Verflechtungspunkt bundesrechtlicher Vorgaben und lokaler Interessen. In Mainz widerstreitet die Pflicht zur Einhaltung der Grenzwerte der Stickstoffoxidbelastung scheinbar den Vorgaben der StVO. Seitdem Mainz vor fünf Jahren auch in den Durchgangsstraßen im Innenstadtbereich Tempo 30 eingeführt hat, steht diese Maßnahme in einem Trommelfeuer der Kritik. Über 1000 Kommunen in Deutschland haben, parteiübergreifend, in einer Entschließung gefordert, den Kommunen grundsätzlich das Recht einzuräumen, die zulässige Geschwindigkeit im Interesse der Stadtentwicklung und der Gesundheit der Bürger:innen zu begrenzen. Das sehen alle, mit Ausnahme der FDP, ähnlich.

Kerstin Haarmann betont, dass es um reale Maßnahmen gehe, die Städte für „multimodale“ Mobilität umbauen. Jede und jeder muss schon aus Klimaschutzgründen mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln, mit ÖPNV, Rad, zu Fuß ihre und seine Ziele sicher und gut erreichen können: Mobilität für Menschen, statt Opferung des Raums für das Auto, ist Leitmotiv des VCD.

Spoiler: Die Podiumsdiskussion war ein bisschen eine Geistermandatsdebatte. Denn in der gegenwärtigen politischen Lage hat zwar die CDU-Kandidatin die größten Chancen auf das Direktmandat. Jedoch würde sie nach den Berechnungen der Lokalzeitung wahrscheinlich dennoch nicht in den Bundestag einziehen. Nach dem aktualisierten Wahlrecht, das die Anzahl der Sitze im Bundestag begrenzt, werden „Überhangmandate“, die sich aus einer Überzahl von Direktmandaten gegenüber dem prozentualen Anteil ergeben, nicht belohnt. Gemäß dieser Rechnung hätte Thorsten Becherer als einziger eine Chance, wenn er denn gewählt würde, auch in den Bundestag zu kommen.

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(CB /RR)

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