Landesverband Rheinland-Pfalz
Chapeau! Die Auswertung des großen Fahrradklimatests 2024, Projekt des ADFC, gefördert vom Bundesverkehrsministerium, wurde jetzt von ADFC und Verkehrsminister Patrick Schnieder präsentiert.
siehe: social.bund.de/@bmv/114704072495747501. Die Ergebnisdetails stehen in www.adfc.de/neuigkeit/fahrradklima-test-2024-die-ergebnisse-im-ueberblick.
In allen großen und sehr viele kleineren Kommunen hat der ADFC eine große Zahl von Menschen, insgesamt über 200.000, gefunden, die das „Fahrradklima“ ihrer Kommune anhand eines differenzierten Fragebogens beurteilt haben.
Das Ergebnis der – im Zweijahresrhythmus wiederholten – Aktion ist ein eindrucksvolles Fahrradklima-Ranking der Kommunen in sechs Größenklassen. Für jeden Ort wurde aus den Antworten eine Gesamtnote ermittelt, die den Platz im Ranking bestimmt. Auch Landeswerte wurden aus den Ortswerten berechnet. Das Ergebnis für Rheinland-Pfalz lautet, wie der SWR titelt - „nur in Berlin ist es schlimmer“. Aber es gibt in den hiesigen Regionen auch positive Beispiele: Landau in der Pfalz gehört in seiner Größenklasse auch im Bundesvergleich zu den Spitzenreitern (Note 3,34). Bei den Großstädten in Rheinland-Pfalz hat Mainz zusammen mit Koblenz noch die relativ beste Bewertung. Im bundesweiten Vergleich nehmen Mainz (mit Note 3,97) und Koblenz (Note 3,96) in ihren Klassen allerdings nur mittlere Plätze ein. Gegenüber traditionell radaffinen Städten wie Münster und Freiburg liegen die beiden Orte in etwa eine volle Notenstufe zurück.
Generell gilt, dass die Einzelergebnisse, aber auch ihre Verhältnisse untereinander bei einer Kommune mehr aussagen als die Scheinpräzision der mit zwei Dezimalstellen angegebenen Gesamtnote, die am Ende den Platz im Ranking bestimmt. Wie der Titel Klimatest andeutet, es geht ums subjektiv empfundene Radklima. Primär ist es die Stimmung der Radcommunity eines Ortes, die abgefragt wird. Alle Radelnden sind zur Teilnahme angesprochen, eine statistische Korrektur der Befunde wird nicht vorgenommen. Das heißt vermutlich auch, wenn es in einer Kommune gefühlt aufwärts mit dem Radverkehr geht, werden Schwachstellen eher als nicht so dramatisch gesehen, als wenn auf Besserungen seit Jahren ungeduldig gewartet wird. Und wenn man Fahrradstädten die zu geringe Breite von Radwegen ankreidet, würde diese Kritik in anderen Orten als Jammern auf hohem Niveau eingeschätzt
Hinweise auf objektivierbare Befunde ergeben sich unter Umständen auch aus den Verhältnissen der Antworten auf die verschiedenen Fragen, validierbar durch den Vergleich verschiedener Orte. Dies sei mit einem Blick auf die Einzelergebnisse der Nachbarstädte Mainz und Wiesbaden, Landeshauptstädte von Rheinland-Pfalz bzw. Hessen, erläutert. Die beiden Städte sind physisch nur durch den Rhein getrennt und in Arbeits- und Wohnbeziehungen vielfach verflochten, aber weisen große Unterschiede in der Verkehrskommunikation und der verkehrspolitischen Praxis auf. Angesichts der vielfältigen Unterschiede ist es ein überraschender Zufallstreffer, dass die beiden Orte praktisch identisch im Klimatest abschneiden (Note 3,97 für Mainz und 3,98 für Wiesbaden, unmittelbar aufeinander folgend im Ranking). Nicht zufällig sind dagegen die relativen Bewertungen in den verschiedenen Kategorien. Das Thema „Fahrrad- und Verkehrsklima“ in Wiesbaden erhielt in Wiesbaden die Note 4,2, in Mainz 3,8. Wiesbaden hat einen niedrigen Radverkehrsanteil im Modal Split der Verkehrsformen (2024 nur 8,4%) und ist traditionell berüchtigt für ein hohes Aggressionspotential gegen Radfahrende. Mainz profiliert sich dagegen als Radfahrstadt. In der Verkehrserhebung 2023 betrug in Mainz der Modal Split-Anteil des Radverkehrs 26%. Dazu passen die Daten zum Punkt „Radfahren durch Alt und Jung“: Wiesbaden 4,0, Mainz 3,1.
Die Einstufungen beim politisch zu verstehenden „Stellenwert des Radverkehrs“ sind aber umgekehrt. Wiesbaden 4,2 gegen Mainz 4,5. Hier spiegelt sich wohl wider, dass Wiesbaden seitens der Stadtspitze in den letzten Jahren, begünstigt auch durch die nicht ganz so enge Bebauung wie in Mainz, stringent die Infrastrukturbedingungen für den Radverkehr verbessert und zum Beispiel ein Netz von Stadtteilrouten eingerichtet hat. Entsprechend deutlich auch die Bepunktung zur Frage „Fahrradförderung in jüngster Zeit“: Wiesbaden gute 3,1 gegenüber Mainz 3,9 Punkte. Aber für den breiten Umstieg aufs Rad und für die Akzeptanz für ihn muss in Wiesbaden noch viel gearbeitet werden. In Mainz werden dagegen von der Radcommunity stärkere politische Signale für die Förderung des Radverkehrs vermisst, wohl gerade weil der Radverkehr zum zentralen Bestandteil der städtischen Mobiltät geworden ist und desto mehr sein noch nicht realisiertes Potential wahrgenommen wird.
Unser radverkehrspolitisches Fazit: Interessant sind nicht nur die Einzelergebnisse zu den jeweiligen Fragen, sondern es werden charakteristische Profile der Verhältnisse in den Orten erkennbar. Das macht die Gesamtnotenermittlung problematisch, denn wie bei Mainz und Wiesbaden können sich sogar gegenläufige Profile in der Summe aus, und es kann sich fast dieselbe „Gesamtnote“ ergeben.
Über dem Ringen vor Ort um die politische Durchsetzung guter Bedingungen für den Radverkehr überall in Deutschland sollte jedoch nicht übersehen werden, dass zentrale Voraussetzungen für eine radfreundliche, nachhaltige, klimapositive Entwicklung der Mobilität durch Änderungen der rechtlichen Grundlagen in Gesetzen und Verordnungen auf Bundesebene gelegt werden müssen. Da ist es schon eher zynisch, wenn der Bundesverkehrsminister, dessen Partei sich nicht gerade mit diesbezüglichem Engagement profiliert hat – er persönlich hat als neuer Minister noch die Chance dazu –, anlässlich der Veröffentlichung des ADFC-Tests in seinem Social-Media-Account erklärt „Radverkehrsförderung zahlt sich aus“ und „Wer investiert, wird belohnt – mit besserem Klima, besserer Infrastruktur und zufriedeneren Menschen".
Wir erbitten anstelle von wohlfeilen Presseterminen mit dem ADFC oder jedenfalls zusätzlich zu ihnen, diesen Worten entsprechende rechtliche Initiativen folgen zu lassen. Um es in Erinnerung zu rufen, zu fordern ist:
(RR)