Rheinland-Pfalz

Das Thema Mobilität und der Elefant im Raum

Mainz will laut einem Stadtratsbeschluss von 2021 bis 2035 klimaneutral werden – wie die Stadt Klimaschutz auf kommunaler Ebene umsetzen soll, war Thema einer Podiumsdiskussion mit den OB-Kandidat:innen.

Als Einstimmung präsentierte die Physikerin Prof. Doris Vollmer von den Scientists for Future den Sachverhalt, von dem die Rede sein müsse: die drohende und immer noch ungebremst angesteuerte Klimakatastrophe, die wir mit jeder Tonne CO2 oder Methan befördern, welche wir durch unser Wirtschaften, und speziell durch unsere Form der Mobilität, in die Atmosphäre strömen lassen.

Während der Diskussion mit den Kandidat:innen verschwand dieser Sachverhalt rasch aus dem Blickfeld und wurde zum unsichtbaren Elefant im Raum; sein Erscheinungsbild bzw. die Probleme der erforderlichen Verkehrswende wurden kleingeredet.

Wir haben die Diskussion online mitverfolgt und die zentralen Punkte der Kandidat:innen zum Thema Mobilität zusammengefasst. Ob sie (uns) überzeugen konnten? Lest selbst...

Marc Engelmann (FDP)

Marc Engelmann verwies wiederholt auf eine frisch erschienene Studie des Umweltbundesamtes, die feststelle, dass die CO2-Emissionen von Kraftfahrzeugen bei Tempo 30 höher lägen als bei Tempo 50 bis 70. Daher plädiert er bspw. für die Wiedereinführung von Tempo 50 auf der Kaiserstraße in Mainz .

Er unterschlug: (1) Dass das UBA die Temporeduktion dennoch empfiehlt, da die Verminderung der Verkehre bei der Einführung von Tempo 30 dazu führt, dass "das Gesamtergebnis mit Blick auf die Emissionen in der Regel [...] positiv [ist]." 1  (2) Dass die Tempo-30-Regelung auf Straßen in Mainz, die Engelmann rückgängig machen will, nicht mit CO2-Emissionsminderungen begründet ist, sondern mit der Verringerung von Stickstoffoxiden. Dieser Effekt ist eingetreten, zusätzlich wurde eine spürbare Lärmminderung festgestellt. (3) Dass die Lage des Minimumpunktes der CO2-Emissionen pro km von der Getriebeauslegung abhängig ist, die leicht für Tempo 30 optimiert werden könnte, wenn die PKWs zum Beispiel auf eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h ausgelegt würden.

Engelmann befürwortet ferner den Autobahnausbau, da man nicht alles über die Schiene regeln könne. Die Bürger sollten die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, welches Verkehrsmittel sie wählen. Auto- und Fahrradfahrer wolle er nicht "gegeneinander ausspielen".

Unser Eindruck: Marc Engelmann konnte in Sachen Klimapolitik nicht wirklich punkten. Er präsentierte kein Konzept, für das er steht und der Elefant verschwindet in Vernebelungsversuchen.


1 Die von Engelmann zitierte Studie des UBA basiert auf nicht durchs UBA erhobenen Parametern, nach denen eine Temporeduktion auf 30 km/h in der Stadt die durchschnittliche CO2-Emission pro Fahrzeug pro km leicht steigen lässt. (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_14-2023_fluessiger_verkehr_fuer_klimaschutz_und_luftreinhaltung.pdf).

Nino Haase (unabhängiger Kandidat)

Nino Haase präsentierte sich als Macher mit Ideen. Er stellte klar, dass er nicht für das Amt des Umweltdezernenten kandidiere, sondern als OB – dementsprechend würde er seine primäre Aufgabe darin sehen, die Verwaltung stark zu machen.

Haase betonte, dass er offen sei für Vorschläge, die an ihn herangetragen würden. Dazu gehörten auch neue Maßnahmen für eine klimafreundlichere Gestaltung der Mobilität. Beispielsweise wolle er mit einem Parkhausmanagement erreichen, dass die Straßenrandparkplätze langfristig zu Flächen umgemodelt würden, die für den ÖPNV, das Fahrrad sowie für Grünflächen Verwendung finden. Haase bewarb allerdings auch Ideen, die bereits einer Überprüfung nicht standgehalten haben (z.B. Park&Ride-Konzepte, für die nachgewiesenermaßen innerhalb der Stadtfläche wenig Interesse besteht).

Unser Eindruck: Der Kandidat wirkte engagiert und trat sehr selbstbewusst, bis hin zu forsch auf. In der Diskussion ergriff er öfter als seine Mitbewerber eigenständig das Wort. Haases Redebeiträge waren ein Ideenfeuerwerk, das manchmal mehr um sich selbst kreiste als um den wirklichen Elefanten im Raum. Vielleicht ist ein Glückstreffer dabei?

Mareike von Jungenfeld (SPD)

Mareike von Jungenfeld setzte beim Thema Mobilität vor allem auf die Attraktivitätssteigerung von Radverkehr und ÖPNV bei gleichzeitiger Minderung des Autoverkehrs. Außerdem möchte sie Betriebe und Privathaushalte dabei unterstützen, in energieeffiziente Maßnahmen zu investieren.

Im Fokus ihrer Politik steht die Prämisse, dass der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft nicht verloren gehen dürfe. Dass aber gerade deswegen die Politik nicht beim Weiter-So im Hinblick auf den Flächenverbrauch verharren darf, ob für den Verkehr, für Gewerbeimmobilien und am Ende auch für den Wohnungsbau, diesen Aspekt thematisierte sie nicht.

Unser Eindruck: Von Jungenfeld wirkte hochmotiviert für das Amt. Trotz verbaler Anerkennung des Klimaschutz-Problems, fehlten aber konkret umsetzbare Ideen, die zu einer klimaneutralen Stadt beitragen. Die Größe der Aufgabe schien nicht unbedingt in ihrem Blick zu sein. Vielleicht könnte ein Funken mehr Engagement in der Diskussion die Wähler vom Gegenteil überzeugen?

Martin Malcherek (Die Linke)

Martin Malcherek vertrat auf dem Podium das Motto „Klimaschutz geht nur mit links!“. Sein Ansatz ist wenig von Praxisrücksichten gekennzeichnet, sondern setzt vor allem auf den neugewonnenen Reichtum der Stadt. Malcherek will eine umweltfreundliche Verkehrsinfrastruktur mittels massiver Investitionen schaffen, die niemandem wehtun, aber gut sind fürs Klima, weil sie die Attraktivität des Zufußgehens, des Radfahrens und des ÖPNV erhöhen. Z.B. möchte Malcherek das 49-Euro-Ticket für Mainzer:innen auf ein 9-Euro-Ticket herunter subventionieren. Zudem wirbt er für die Untertunnelung der Kaiserstraße, um „oben“ eine schöne Fläche für Zufußgehende und Radelnde zu erhalten (die Assoziation, die sich zu Stuttgart 21 einstellt, war sicher nicht beabsichtigt).

Unser Eindruck: Der Elefant wird hier verbal eingehegt durch eine sehr spezifisch lokale Sicht auf die Probleme, die sich wenig um Machbarkeit schert.

Manuela Matz (CDU)

Das Motto von Manuela Matz lautete im Kern „Wir können die Klimaziele sowieso nicht erreichen “ – wie mehrfach formuliert. Was die fröhliche Fortsetzung nahezulegen schien: the party must go on – aber ein paar schöne Radwege würden zum Wohlfühlen beitragen. Matz setzte ihre klimapolitische Hoffnung auf das Dreigespann Wirtschaft – Technik – Wissenschaft. Die Wirtschaft muss für das Geld sorgen. Die Technik ist zuständig für die praktische Umsetzung von CCS-Installationen (zur Extraktion von CO2 aus der Atmosphäre und seine „sichere“ Lagerung). Schließlich müsse die Wissenschaft gefördert werden, damit sie die benötigten neuen Techniken entwickelt. Daraufhin schaltete Prof. Doris Vollmer sich ein und wies darauf hin, dass in absehbarer Zeit nicht mit umsetzbaren Verfahren zu rechnen sei.

Unser Eindruck: Die Kandidatin wirkte vor dem Schwerpunktthema der Podiumsdiskussion eher „schwach“. Blendmanöver lenkten von der Aufgabenstellung ab.

Christian Viering (Grüne)

Christian Viering formulierte am deutlichsten, dass der Klimaschutz die zentrale Zukunftsfrage unserer Zeit sei. Beim Thema Mobilität positionierte er sich klar für die Verkehrswende: der motorisierte Individualverkehr müsse deutlich vermindert, der ÖPNV ausgebaut und sehr viel bessere Bedingungen für den Radverkehr geschaffen werden. Viering befürwortete eine Umverteilung des Verkehrsraums, in dem es keine neuen Parkhäuser und weniger Autos geben müsse.

Auf die Fraglichkeit nach der politischen Umsetzung seiner eigenen Ansätze ging er nicht wirklich ein. Diese wurde ihm gestellt mit der Vorhaltung, dass die Grünen seit 30 Jahren das Verkehrsdezernat in Mainz innehätten und sehr wenig geschehen sei. Viering wies mit Nachdruck darauf hin, dass das Amt zwischendurch fast eine Dekade in anderen Händen gelegen habe und die Grünen ihre Konzepte nur ganz partiell und gegen heftigen Widerstand hätten umsetzen können.

Unser Eindruck: Viering zeigte sich brennend für den Klimaschutz, wenngleich er sich nicht allzu engagiert ins Gespräch einmischte. Thematisch argumentierte er ganz im Sinne der klimaneutralen Politik bzw. Klimaschutzbewegung. Allerdings: Wenn die Umsetzungsbedingungen von Maßnahmen nicht thematisiert werden, ist der Respekt vor dem Elefanten nur bedingt glaubwürdig.

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