Rheinland-Pfalz

Bahn & Bus, Verkehrsplanung, Verkehrspolitik
Rheinhessen

Das Projekt Rheinhessen-Tram

Eine Stadtbahn ist in bebautem Gebiet von einer Straßenbahn praktisch kaum zu unterscheiden, denn sie erschließt wie die Straßenbahn die umgebende Siedlungsfläche, d.h. sie hat Haltestellen in stadtüblichen Abständen.

Sie kann hier sowohl im Straßenraum als auch auf gesonderter Trasse geführt werden. Durch ihre hohe Erschließungsleistung ist ergänzender Busverkehr entlang der Strecke überflüssig, er dient in der Regel nur als Zubringer aus den Querachsen.

Verlässt diese Stadtbahn den Siedlungsbereich, so wird sie zur Regional- oder S-Bahn, denn auf separatem Bahnkörper kann sie mit bis zu 100 km/h zügig Stadt und Umland bzw.Ortschaften miteinander verbinden. Der Unterschied zu den Regional- und S-Bahnen besteht vor allem darin, dass die Fahrzeuge wesentlich leichter sind als z.B. die Eisenbahnfahrzeuge der DB AG und deshalb stärker beschleunigen und abbremsen können. Diese Eigenschaft versetzt sie in die Lage, trotz großer Haltestellendichte (= hohe Erschließungsqualität) die schnelle Verbindung der einzelnen Ziele zu ermöglichen. Im Gegensatz zum Bus erfolgt dies darüber hinaus in sehr angenehmer Weise, denn die Fahrgäste werden bedeutend weniger strapaziert.

Das ist gerade bei etwas längeren Fahrzeiten, wie sie aus der Region unvermeidbar sind, von besonderer Bedeutung. Es kommt hinzu, dass Regionalbusse, meist schon an der Peripherie, morgens im Stau stehen, während die Stadtbahn auf eigener Trasse ohne Zeitverlust durchfährt und auch dadurch zu einer echten Alternative zum Auto wird. Die Stadtbahn ist also weder nur Straßenbahn noch S-Bahn, sondern vereinigt in derjeweiligen Umgebung die spezifischen Vorteile auf sich. Im Raum Mannheim/ Ludwigshafen ist ein solches System seit langem vorhanden und wird ständig weiter ausgebaut. Viele Städte, wie z. B. Kassel oder die Mainzer Partnerstadt Erfurt, bauen gemeinsam mit den umgebenden Regionen ihre Straßenbahnen zu Stadtbahnen aus, andere wie Straßburg und Saarbrücken haben Stadtbahnen neu gebaut und bauen die Systeme kontinuierlich weiter aus. Viele weitere Kommunen in Deutschland und Europa, sogar in den USA, sorgen seit Jahren für eine Renaissance der Tram. Karlsruhe ist hier sicher das bekannteste Beispiel und schon wegen der Entwicklung von Mehrsystemfahrzeugen, die auch auf Eisenbahnstrecken fahren können eine Erfolgsgeschichte für sich.

Das Projekt Rheinhessen-Tram:

Die Stadt Mainz und ihr Umland haben hinsichtlich Verkehrsentwicklung und Umweltbelastung bei Fortdauer der bisherigen, aufs Auto fixierten Politik in Stadt und Land nichts Gutes zu erwarten: 90.000 Berufspendler belasten täglich die Mainzer Einfallstraßen und das städtische Straßennetz. Die heute schon unerträglich hohe Lärm- und Abgasbelastung durch den Verkehr wird weiter ansteigen. Der größte Teil dieses Verkehrs kommt aus dem Rheinhessischen und kann durch Maßnahmen innerhalb des Stadtgebiets kaum reduziert werden. Die Erreichbarkeit des Oberzentrums Mainz ist aber auf Dauer gefährdet, wenn nicht Vorsorge durch attraktiven ÖPNV getroffen wird. Straßenbau und Unterhaltung sind an ihre finanziellen Grenzen gestoßen. Hier kann ein Stadtbahnnetz eine zukunftsfähige Richtung weisen: 5 Achsen ins Rheinhessische bieten sich an und sollten näher untersucht werden: Zum einen sind dies die vorhandenen DB-Strecken am Rhein nach Bingen und Oppenheim, sowie die Strecke nach Alzey, zum anderen die im Stadtgebiet weitgehend schon als Strab.-Trasse ausgewiesene Linie über die Universität und Marienborn zum Stadtteil Lerchenberg, die bei entsprechender städtebaulicher Entwicklung (Layenhof) durchaus noch über Finthen und Wackernheim bis nach Ober-Ingelheim verlängert werden könnte, sowie unser Vorschlag auf teilweisen Neubau und Benutzung von Teilen der alten Bahntrassen Bodenheim-Alzey bzw. Gau-Odernheim-Osthofen.

Bei unserem Vorschlag verläuft die Trasse vom Mainzer Hbf. entlang der Straßenbahnlinie 52 (hier Einsatz des vielfach bewährten 3-Schienen-Gleises) nach Zahlbach, um kurz vor Bretzenheim nach links ins Wildgrabental zu schwenken. Dort unterquert die Linie die B 40 (vorh. Brücke wird genutzt) und führt am Gelände der Ziegelei vorbei (die Dampfbahn nach Hechtsheim ist hier schon einmal gefahren, Teile dieser alten Trasse würden wieder genutzt) weiter zu einer vorh. Feldwegunterführung unter der A 60 hindurch zum Gewerbegebiet Hechtsheim. Hier soll die Stadtbahn durch die Wilhelm-Maybach/ Robert-Bosch-Straße nach Süden weiter verlaufen, wobei sie auch den Gewerbepark (inkl. Messegelände) erschließt. Die nur mit Restriktionen 'gelösten' Probleme bei der Abwicklung des Messeverkehrs wären weitgehend beseitigt. Südlich des Wirtschaftsparks verläuft unser Trassenvorschlag auf der Westseite der L 425 bis zur geplanten P+R-Anlage östlich von Mainz-Ebersheim. Für die Führung entlang der L 425 hat die Stadt Mainz einen Bebauungsplan für eine Busspur beschlossen, eine Umwidmung mittels Planfeststellung nach PersBefG wäre hier vorzunehmen.

An der P+R-Anlagegibt es eine Gabelung:

Die eine Trasse schwenkt nach Westen und erschließt den südlichsten Mainzer Vorort Ebersheim, um danach in westlicher Richtung nach Nieder-Olm zu führen. Sie muss dazu westlich von Ebersheim etwas nach Norden ausschwenken, um danach in großem Bogen das Naturschutzgebiet "Im Loh" zu umgehen und den Höhenunterschied überwinden zu können. Die Steigung beträgt ca. 5,5 %, für eine Stadtbahn kein Problem. Nördlich von Nieder-Olm,direkt neben dem Viadukt über die L 401, stößt die Stadtbahn auf die DB-Strecke Mainz-Alzey. Durch Zubau eines 2. Gleises bleibt die Stadtbahn-Strecke von dem DB-Betrieb unabhängig. Das 2. Gleis wird bis zum Nieder-Olmer-Bahnhof geführt. Eine äußerst wichtige Verknüpfung des Verkehrs aus Richtung Wörrstadt nach Mainz-Hechtsheim (allein das vorh. Gewerbegebiet hat rd. 11.000 Arbeitsplätze, im Gewerbeparksollen 8.000 neu entstehen) ist damit möglich! Der Bahnhof Nieder-Olm wird zu einem wichtigen Umsteigepunkt, der auch Fahrgäste aus der zu verstärkenden Regio-Buslinie-640 aufnehmen kann. Durch die Stadtbahn wird außerdem ein neuer Haltepunkt Nieder-Olm-Nord möglich in Höhe der ehem. Hubertusmühle? auch deshalb ist das zusätzliche 2. Gleis wichtig.

Die andere Trasse verläuft ab der geplanten P+R-Anlage Mz.-Ebersheim weiter in Richtung Süden, tangiert Gau-Bischofsheim (südlich der Kapelle, oberhalb der Ortslage) und führt über Harxheim östlich der L 425 weiter nach Mommenheim, wo sie in einer Variante nordöstlich des alten Ortskerns auf die Trasse der ehem. DB-Strecke Bodenheim-Alzey trifft. Diese ehem. Bahntrasse ist bis Selzen schon zu einem Radweg umgestaltet worden? wir halten aber eine Rückführung zum Stadtbahnbetrieb für möglich (Radweg parallel daneben). Außer dem ausgedehnten Neubaugebiet nördlich der alten Ortslage von Mommenheim können die östlichen Ortsteile von Mommenheim bei dieser Variante durch weitere neue Haltepunkte peripher erschlossen werden. In einer zweiten, verkehrlich günstigeren Variante verläuft die Trasse ab Harxheim westlich der L 425 und führt westlich des Friedhofs von Mommenheim nah am Ortskern vorbei, um am Weingut Windisch auf die alte L 425 zu treffen. In dieser kürzeren Variante sind dem Ortskern nähere Haltestellen möglich, außerdem wird das neue Gewerbegebiet erschlossen. Die Trasse verläuft dann auf der Westseite der L 425 weiter bis Selzen, wo sie auf die alte Bahntrasse trifft. Neue Haltepunkte in Selzen und Hahnheim sind möglich. Ein Engpass besteht bereits in Hahnheim, wo im Gewerbegebiet die alte Trasse auf Radwegbreite verengt wurde (Grunderwerb erforderlich, Freifläche eines Gewerbebetriebs betroffen).

Die restliche Bahnstrecke ab Hahnheim über Köngernheim, Undenheim, Bechtolsheim, Gau-Odernheim, Gau-Köngernheim, Framersheim und Alzey-Schafhausen zum Industriegebiet Alzey wurde 1998 abgebaut, ist aber als Bahnkörper noch vorhanden, desgleichen auch der Restabschnitt der ehem. Schienenverbindung Gau-Odernheim-Osthofen, der 1998 noch bis Hillesheim/ Bf. als stillgelegte Strecke bestand. Vom Bahnhof Alzey bis zum Industriegebietgab es bis Ende 2001 noch Güterverkehr (Fa. Thimm). Die Stadtbahn soll, von Norden kommend, über Gau-Odernheim (mit neuem Haltepunkt Gau-Odernheim-Süd) und Hillesheim (neue, gestreckte Linie an Hillesheim Süd vorbei) zum neuen Endast nach Dorn-Dürkheim (Endhaltestelle: Birkenstraße) führen.

Ein weiterer Ast soll Gau-Odernheim wieder mit Alzey verbinden, unter Nutzung von Teilen der zuvor beschriebenen ehem. Bahntrasse, wobei der Stadtteil Alzey-Schafhausen neu erschlossen werden kann (früher führte die Bahn an der Ortslage vorbei). Alle Linien sollen zunächst halbstündlich bedient werden (in Schwachlastzeiten auch stündlich), ggf. mit Verdichtung in den Hauptverkehrszeiten. Ein großer Teil dieser Linienführung entspricht in etwa der Regio-Linie-660, deren Betrieb dann eingestellt werden könnte. Frei werdende Regionalisierungsmittel könnten für die Stadtbahn eingesetzt werden, wobei anzumerken ist, dass lt. ORN die Linie 660 eigenwirtschaftlich betrieben wird.

Die Verkehrsbelastung der L 425 liegt am südlichen Rand von Mainz bei 20.000 Kfz/ 24 h. In einer überschläglichen Potenzialermittlung wurden hier ca. 2000 Personenfahrten/ Tag errechnet. Ab 1000 Pers. Fahrten/ Tag ist ein Schienenverkehr in der Regel rentabel (es ist anzumerken, dass bei den in letzter Zeit realisierten vergleichbaren Projekten generell die Prognosewerte weit übertroffen wurden, oft um mehr als 300 %!). Aus der Verknüpfung mit der DB in Nieder-Olm können weitere Fahrgäste gewonnen werden, hier ist ein Umsteigen z.B. von Wörrstadt nach Mz. Hechtsheim/Gewerbegebiet oder die Fahrt von Köngernheim nach Mz. Marienborn (ZDF) auf der Schiene und ohne Umweg über den Mainzer Hauptbahnhof möglich. Bei gutem Zubringerverkehr mit Bussen können sämtliche "Höhengemeinden" zwischen Mz. Ebersheim und Dittelsheim-Heßloch eine äußerst attraktive und komfortable Fahrmöglichkeit in den Raum Mainz Wiesbaden/Rhein-Main erhalten und dies auf einer Achse, die für den MIV nicht besonders attraktiv ist, weil es hier, im Gegensatz zur Bahnlinie Mainz - Alzey, keine konkurrierende und ständig weiterausgebaute Autobahn gibt.

Der vorstehende, bislang noch nicht näher untersuchte Trassenvorschlag der Arge-Rheinhessen-Tram könnte der Anfang einer neuen ÖPNV-Ära in Mainz und Rheinhessen sein. Weitere Stadtbahnlinien von Mainz ins Umland, z.B. über den Rhein nach Wiesbaden, die schon mit besten Standardisierten Bewertungen (3,11) versehen sind, müssen folgen. In jüngerer Zeit zeichnet sich auch in Wiesbaden, wo die Stadtbahnpläne 2001 von der FDP verworfen wurden, wieder ein Umdenken statt. Der (FDP) Stadtentwicklungsdezernent lässt städtebaulich die möglichen Trassen frei halten.

Wir sagen: Hier besteht die Chance, eine Verkehrswende dergestalt einzuleiten, dass nicht weiter nur neue Straßen und Parkplätze gebaut werden, sondern in ein modernes und in jeder Beziehung nachhaltiges Verkehrsmittel investiert wird! Die Stadtbahn an der L 425 muss hier nicht mit einer Autobahn oder 4-streifigen Bundesstraße konkurrieren, sondern sie ist die Alternative in verkehrlicher und finanzieller Hinsicht! Die Höhengemeinden des südlichen Landkreises Mainz-Bingen und östlich Alzey haben mit einem Mal eine ganz neue ÖPNV-Qualität zur Verfügung. Sie können gleichzeitig angesichts zurückgehender PKW-Belastung aufatmen, während der notwendige Wirtschaftsverkehr auf der Straße wieder besser abgewickelt werden kann. Mainz wird in der City und auf der Einfallachse L 425 endlich eine spürbare Verkehrsentlastung erfahren. Die langjährige Forderung nach 4-streifigem Ausbau der L 425 wird hinfällig. Auch für die weitere Entwicklung der Wirtschaftsstandorte in der Region ist die Stadtbahn ein wichtiger Baustein.

Das Mainzer Verkehrsministerium hat der "Trasse L425" eine gute Erschließungswirkung bescheinigt, aber gleichzeitig als Voraussetzung für die mögliche Förderung erster Untersuchungen durch das Land Rheinland-Pfalz darauf hingewiesen, dass der Anstoß für dieses Projekt 'aus der Region' kommen muss. Da die Gleise an der alten Strecke schon länger entfernt sind und Kommunale Planungen die Trasse bereits in Anspruch nehmen ist Eile geboten, um diese Option aufrecht zu erhalten.

Aufgestellt. Walter Nepelius für Arge Rheinhessen-Tram (www.rheinhessentram.de) Stand: 2010

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